Freitag, 2. Dezember 2022

„Ortseingang Nord“: Die Investorenplanung

Visualisierte, digitale Entwürfe sind ein beliebtes Präsentations- und Marketinginstrument. Gerade bei Immobilienprojekten lohnt es sich genau hinzuschauen. So ist es auch beim Planungskonzept zum großen Bebauungsvorhaben „Ortseingang Nord“.

Ende Oktober hat der Vorhabenträger, die Unternehmensgruppe Reinhard, mit seinem beauftragten Architekturbüro Planrausch in der Festhalle das angedachte Konzept für die Bebauung der Grün- und Weideflächen am nördlichen Ortsrand präsentiert: ein weiträumiges Supermarktgelände mit ergänzender Wohnbebauung.

Am 11. November war dann auch in der RNZ die Grafik einer Projektansicht zu sehen (siehe auch öffentliche Präsentation des Investors auf nussloch.de, dort S. 11). Die gewählte Ansicht ist gut austariert: In der unteren Bildhälfte findet sich als attraktiver Vordergrund viel digitales Grün mit Bäumchen, Büschen und Wiese. Hier handelt es sich letztlich um den zunächst verbleibenden Grünstreifen zwischen Landesstraße und Bebauung, auf dem sich voraussichtlich später die Gleisanlagen und der Endhaltepunkt der verlängerten Straßenbahntrasse aus Leimen befinden. Doch wo ist der Supermarkt? Kaum zu sehen, befindet er sich aus dieser nordwestlichen, erhöhten Perspektive versteckt hinter einem Lager- und Logistikanbau. Und das große Parkplatzareal? Aus dieser Sicht ein kleiner, grauer Bereich am rechten Bildrand im Hintergrund. Auch Lichtmasten oder Werbeanlagen vermisst man. Es ist eine optisch drapierte Kulisse, die das Auge auf die ebenfalls mit Grün gerahmten Wohngebäude auf dem Supermarktdach lenkt.

Nähern wir uns der Realität. Sollte dieses Projekt realisiert werden, so sehen wir zukünftig ein großes Parkplatzgelände und eine etwa 50 m lange und ca. 6 m hohe Gebäudefront aus Supermarkt und Logistikflächen. In der Verlängerung des Marktes schließt sich bis zum Prozessionsweg eine ca. 60 m lange, ebenso hohe Betonwand an. Sie fängt das hangseitige Erdreich ab und schafft Raum für Stellplätze. Schließlich muss das Gelände abgetragen und modelliert werden. Wir reden also über eine bauliche Anlage, die sich vom Schafshofweg bis zum Prozessionsweg über die Länge eines Fußballspielfeldes erstreckt.

Auf das Dach des Marktes sollen nach hinten versetzt zwei so genannte „Punkthäuser“ gebaut werden, dahinter in zweiter Reihe vier weitere. Punkthäuser klingt eher klein. Es handelt sich um zwei große Mehrfamilienhäuser mit je drei Vollgeschossen und je sieben Wohneinheiten. Bei einer Geschosshöhe von knapp 3 m ergibt sich aufblickend ein Gebäudeensemble aus Gewerbeflächen und aufgesetzter Wohnbebauung mit einer Kubatur von rund 50 m Sockelbreite und einer Bauhöhe von ca. 15 m. Dieser wuchtige Gesamtkomplex passt nicht in dieses naturnahe Landschaftsbild und auch nicht zum Ortscharakter von Nußloch.

Auf den digitalen Bildern sieht man 12 bis 15 Autos auf dem Gelände. Die Realität wird allerdings anders aussehen. Gemessen an der Verkaufsfläche des Marktes werden für Kunden und Mitarbeiter mindestens 90 Parkplätze erforderlich sein. Hinzu kommen ca. 40 Stellplätze für das Wohnen. In Summe sind das 130 Parkplätze. Es gibt weder eine Tiefgarage noch Einzel- oder Doppelgaragen für Anwohner. Alles an ein- und ausfahrenden als auch parkenden Pkws spielt sich auf Grundstücksebene ab. Das Vorhaben ist sowohl Ziel als auch Quelle von ständigem Autoverkehr! Den Lkw-Anlieferverkehr noch ganz außen vor gelassen.

Auch hinsichtlich der gezeigten sechs Wohngebäude ist Transparenz hilfreich. Der hintere, mit überplante Teil des Grundstückes mit vier von sechs „Punkthäusern“ ist nicht im Besitz des Investors. Dieser Teil gehört diversen anderen Grundstückseigentümern. Gemessen an den Bodenrichtwerten am Prozessionsweg (bis zu € 1.200/qm) und den Baupreisen dürfte dort am Ende exklusiver Wohnraum entstehen. Teilen des Gemeinderates ging es doch dort aber um preisgünstigen Wohnraum für junge Familien und anfänglich gar sozialen Mietwohnraum? Die Marktmietpreise hingegen liegen heute bei Neubau/Erstbezug jenseits von 11 Euro/qm Kaltmiete. Wer kann sich das leisten und wer wohnt da tatsächlich später? So blieben für günstigeren Wohnraum nur noch ein Drittel der Wohnungen - die beiden Mehrfamilienhäuser auf dem Supermarktdach. Um dort vergünstigten Mietwohnraum zu schaffen, müsste man die Kosten heruntersubventionieren und auf diesem Niveau mit einer langfristigen Mietpreisbindung versehen. So weit zumindest die Idee – doch würden Sie gerne mit Ihrer Familie oder als älteres Paar am Ortsrand auf dem Dach eines ständig frequentierten Supermarktes wohnen?

Präsentationsbilder heute, Realitäten später.

Foto: PaulBr

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