Die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung GmbH (GMA) wurde beauftragt, ein Einzelhandelsgutachten für Nußloch zu erstellen. Mit dem Begriff „Forschung“ assoziiert man Wissenschaft oder Universitäten. Aber was ist die GMA eigentlich und wem gehört sie? Nun, die GMA ist eine 100%-Tochter der W&W AG, einem börsennotierten Finanzdienstleistungskonzern, der vor allem im Bereich der Versicherung und Finanzierung von Immobilien tätig ist. Die GMA (Jahresumsatz 2021: 3,7 Mio. Euro) schreibt auf ihrer Homepage: „Die Privatwirtschaft profitiert von unserem jahrzehntelangen Wissen um die Entwicklung von Standorten und Immobilien sowie kommunalen Entscheidungsabläufen.“
Kommen wir zum Gutachten: Die Landesentwicklungsplanung besagt, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe für Endverbraucher, wie zum Beispiel Supermärkte, in der Regel nur in Ober-, Mittel- und Unterzentren ausgewiesen und errichtet werden dürfen (Konzentrationsgebot). Nußloch liegt direkt zwischen den Städten Heidelberg (Oberzentrum, 44 Supermärkte), Leimen (Unterzentrum, 9 Supermärkte), Wiesloch (Mittelzentrum, 7 Supermärkte) und Walldorf (Mittelzentrum, 4 Supermärkte). Nußloch hat als Kommune ohne Zentralfunktion zwei Supermärkte (Vollsortimenter- und Discountermarkt). Das entspricht den Zielen der Raumordnung und Landesplanung.
Das Gutachten hingegen bewertet das logische Ergebnis, dass unsere Nachbarstädte im Lebensmittelbereich größere Verkaufsflächen je 1.000 Einwohner als Nußloch aufweisen, als „unterdurchschnittliche Verkaufsflächenausstattung“ - und empfiehlt die Ansiedlung eines weiteren Supermarktes. Mit dieser fragwürdigen Argumentation steht das rechnerische Ergebnis des Gutachtens für alle Kommunen ohne Zentralfunktion allerdings vorher schon fest.
Die Datengrundlage des Gutachtens, die eine Unterversorgung begründen soll, wird vom EHI Retail Institute bereitgestellt. Es wird von den großen Handelsunternehmen finanziert (z.B. Aldi, DM, Lidl, Edeka, REWE, Tegut, Backfactory). Das Ziel des EHI ist es natürlich auch, das Geschäft und die Expansion der Handelsunternehmen zu unterstützen. Daher beschränken sich die Zahlen auf die Verkaufsflächen der großen Handelsunternehmen (Zitat Gutachten: „Dabei werden der nicht organisierte Lebensmitteleinzelhandel (u.a. kleine Biomärkte, ethnische Lebensmittelmärkte, Hofläden), Spezialgeschäfte (u.a. Weinhandlungen, Feinkostgeschäfte), Lebensmittelhandwerksbetriebe (Bäckereien, Metzgereien), … nicht berücksichtigt.“). Kleinere inhabergeführte Geschäfte wie in Nußloch spielen also im Spiel der Großen keine Rolle.
Nicht zuletzt legt das Land im so genannten Einzelhandelserlass fest, dass Einzelhandelsgroßprojekte im zentralörtlichen Versorgungskern (Stadt- und Ortskern) liegen sollen (Integrationsgebot). Das Gutachten sagt nun aber aus, dass es sich bei dem Planareal „Steinäcker“ am nördlichen, grünen Ortsausgang um einen „städtebaulich integrierten Standort“ handelt. Dies lässt sich schwer erkennen. Der Standort ist nicht zentral und auch nicht integriert und hätte zudem negative Auswirkungen für unsere Geschäfte im Ort. Überzeugender ist eine andere Feststellung von Gerhard Beck, der seitens der GMA der Nußlocher Bürgerschaft das Einzelhandelsgutachten präsentiert hat. Er sagte im Juli 2022 in einem Interview mit „die:gemeinde“, einem Magazin für Städte und Gemeinden: „Supermärkte am Ortsrand sind nicht der Königsweg.“
Schließlich bedient das Gutachten auch das Argument der fußläufigen Erreichbarkeit und Nahversorgung, welches von einem Teil des Gemeinderats angeführt wird. Das Gutachten im Wortlaut: „Die fußläufige Erreichbarkeit des Projektstandortes aus den umliegenden Wohngebieten ist als gut einzustufen. An allen vier Seiten des Kreisverkehrs ist eine Fußgängerfurt eingerichtet, die die Überquerung der Straßen erleichtert.“ Dass ausgerechnet heutige Grün- und Weideflächen am Ortsrand als gut fußläufig erreichbar und mit Wohngebieten „umliegend“ beschrieben werden, ist merkwürdig. Ein zentrumsnaher Ort wäre doch für viel mehr Bürger fußläufig erreichbar. Außerdem spielen im Gutachten die Steigungen am Prozessionsweg und in der Kurpfalzstraße keine Rolle.
Wie auch immer! Die Nußlocher Bürgerinnen und Bürger haben ein gutes Gespür und kennen ihren Ort besser als externe Gutachter. Und sie wissen, was ihnen besonders wichtig ist. All das sind beste Voraussetzungen, dass sie beim Bürgerentscheid am 22. Januar 2023 zur Wahl gehen und eine gute Entscheidung treffen werden.